Norbert_Calenborn
GT-Pilot
 
Offline
Muffensausen vor Zuffenhausen?
Beiträge: 430
Linz am Rhein
|
Vorwort:
Wie sicherlich jeder weiß, oder zumindest ahnt, war der Porsche 935 ein geradezu unglaubliches Rennfahrzeug. Die Zeit, in der er überaus konkurrenzfähig war, dauerte nicht weniger als volle neun Jahre, eine Ewigkeit in der schnelllebigen Zeit des Rennsports. Nach dem ersten Sieg im März 1976 folgten unzählige Klassen- und Gesamtsiege bei den wichtigsten und härtesten Langstreckenrennen rund um den Globus, inklusive den 24h von Le Mans und der wohl beeindruckenste Sieg bei den 12h von Sebring im Jahre 1984 (zu einer Zeit also, als die Gruppe C- bzw. IMSA GTP-Sportwagen der neuen Generation schon gut drei Jahre existierten!!!). In dieser langen Zeit fand der 935 beiderseits des Atlantiks unmengen Freunde die ihre helle Freude und Begeisterung verspürten, wenn sie dieses flammenspeiende, ultrabreite und böse dreinblickende Ungeheuer beobachteten, wie es weit, sehr weit das Heck raushängen ließ am Kurvenausgang und dann mit einem völlig einzigartigen, gänsehautproduzierenden Sound aus 6-Zylinder-Boxer-Gebrüll und giftig zischelndem Turbopfeifen an einem vorbeischoß als wäre es gerade von einem Katapult abgeschossen worden. Dieses brutale 3-Liter-BiTurbo-Projektil beherrschte nahezu jede Rennstrecke die seinerzeit befahren wurde, allerdings in einer Art, die den Fahrern zunächst Probleme bereiten sollte, denn der Fahrstil mußte angesichts der eigentümlichen Charakteristik des 935 völlig neu definiert werden, doch dazu später mehr. Apropos Fahrer: Die Liste der großen Namen, die diesen Wagen zu Siegen fuhren ist ebenso lang wie beeindruckend. Ob Jacky Ickx, Derek Bell, John Fitzpatrick, Alan Jones, Bob Wollek, Rolf Stommelen, A.J. Foyt, Klaus Ludwig, Henri Pescarolo, Brian Redman, John Cooper, Paul Newman und sogar Walter Röhrl... sie alle sind "nur" einige von vielen Ikonen des Rennsports die auf die treuen und erfolgversprechenden Dienste des 935 vertrauten. Was den 935 aber noch beeindruckender machte war die Tatsache, das er auf einem "stinknormalen", straßenzugelassenem Porsche 911 basierte, genauer gesagt auf dessen Chassis, Rohkarosse und sogar auf dem Basistriebwerk. Die Sitzposition des Fahrers war ebenfalls absolut ungewöhnlich für Rennfahrzeuge dieser Zeit, denn man saß nahezu aufrecht im Wagen, was der Übersichtlichkeit für den Fahrer sehr zu Gute kam, was auch nötig war bei dem Fahrstil den der 935 erforderte. Alles im Wagen erschien verglichen mit anderen Rennfahrzeugen absolut überdimensioniert, das große Lenkrad, der Schalthebel, das Dampfrad (zur Einstellung des Ladedrucks) und auch die Pedale. Man hatte Platz im Dickschiff. Der Fahrer hatte das Antriebsaggregat direkt in seinem Rücken, nur eine Fiberglaswand trennte die beiden, und obwohl der Motor im Innenraum relativ leise war, so wurde es doch meist unerträglich heiß im 935. Aber was machte das Fahren mit ihm so ungewöhnlich, ja außergewöhnlich? Nun, man mußte ihn auf Gedeih und Verderb am Gas halten, die Lenkung fungierte oftmals nur dazu das Power-Oversteer, also den Drift auszubalancieren. Um wirklich schnell mit ihm zu sein mußte man den 935 hart fahren, er mochte sehr viel lieber Rennstrecken mit langen Geraden und wenigen Kurven, wie z.B. Le Mans, wo der mächtige Punch des BiTurbos bis zu 372km/h (1978) ermöglichte. Dieser Porsche war anders als die meisten seiner Artgenossen aus Zuffenhausen, höchstens vergleichbar mit dem Turbomonster 917/10 bzw. 917/30, denn er erforderte Fahrer die ihren Fokus aufs Überholen legten, nicht aufs Ausbremsen. Dafür war er einfach zu schwer und hatte zudem anfänglich arge Handlingprobleme beim Anbremsen. Verglichen mit zeitgemässen Sportprotypen war er ungemein langsam durch Kurven. Aber ab dem Kurvenscheitelpunkt drehte sich das Bild radikal. Der Wagen der überholt werden sollte mußte so gut wie möglich verfolgt werden in der Kurve, und oftmals war es wegen der enormen Beschleunigung sogar besser ihm etwas Vorsprung zu lassen, denn kurz vor dem Scheitelpunkt
|